Château de Cluzel - Auf den Spuren eines vergessenen Generals in der Auvergne

Wer eine Reise durch die Auvergne plant, denkt oft an Vulkane, Thermalquellen und Käse – aber kaum jemand weiß, dass sich inmitten dieser malerischen Region auch ein Stück spannender europäischer Geschichte versteckt: das Château de Cluzel, der Geburtsort eines Mannes, der versuchte, die französische Monarchie zu retten.

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Quelle: Wikipedia


Geburtsort eines umstrittenen Generals

Das Château de Cluzel liegt idyllisch eingebettet in einer grünen Hügellandschaft und unweit der Schluchten des Haut-Allier der Auvergne, abseits der großen Touristenströme. Auf den ersten Blick erscheint es, wie viele andere Landsitze des französischen Adels, bescheiden.
Es war der Stammsitz der Familie de Bouillé, deren bekanntester Spross François-Claude-Amour de Bouillé (1739–1800) hier geboren wurde. Ein Name, der in den dramatischsten Kapiteln der Französischen Revolution eine entscheidende Rolle spielte.
François Bouillé wurde standesgemäß erzogen, erhielt eine klassische militärische Ausbildung und entschloss sich früh, den Weg seiner Vorfahren als Offizier fortzusetzen. Er sollte schon bald an die Spitze des königlichen Militärs aufsteigen.


Ein Aufstieg durch Mut und Können

Bouillé machte schnell auf sich aufmerksam. Im Siebenjährigen Krieg bewährte er sich an der Front, später übernahm er strategische Aufgaben in den französischen Kolonien der Karibik. Sein kluger Einsatz und seine Effizienz brachten ihm nicht nur militärische Anerkennung, sondern auch das Vertrauen des königlichen Hofes.

Doch sein Name sollte vor allem mit einem Ereignis verbunden bleiben: dem Versuch, König Ludwig XVI. zur Flucht zu verhelfen – einem Unternehmen, das 
jedoch im Juni 1791 in Varennes scheiterte und zum Wendepunkt der Revolution wurde.
Die königliche Familie wurde festgenommen, Bouillé floh ins Exil, und der Lauf der Geschichte änderte sich unwiderruflich.


Die Flucht nach Varennes – ein gescheitertes Manöver

Zu Beginn des Jahres 1791 wurde die Lage zunehmend gefährlich, der König entmachtet, die Monarchie bedroht. Ludwig XVI. wollte sich dem revolutionären Druck entziehen und plante, sich mit royalistischen Truppen in Montmédy (im heutigen Département Meuse, nahe der luxemburgischen Grenze) zu vereinen. General Bouillé, der in Montmédy stationiert war, sollte die königliche Familie dort in Sicherheit bringen, um von dort aus eventuell einen Gegenschlag gegen die Revolution vorzubereiten.

Der General hatte die Flucht mit äußerster Präzision vorbereitet, stellte entlang der Strecke militärische Einheiten bereit und plante exakt abgestimmte Stationen. Eine Strecke von rund 250 km, die in wenigen Tagen zurückgelegt werden sollte. Unterstützt wurde er dabei von Axel von Fersen, einem schwedischen Offizier und engem Vertrauten der Königin.

Doch der Plan war zu auffällig. Der schwere und prunkvolle Reisewagen, gezogen von sechs Pferden, war kaum zu übersehen, die Truppen erregten Aufmerksamkeit, und schließlich erkannte der revolutionstreue Postmeister Jean-Baptiste Drouet in Sainte-Menehould den König, dessen Porträt er auf Münzen gesehen hatte.

In der Nacht zum 21. Juni 1791 wurde der königliche Konvoi in Varennes gestoppt. 
Das Königspaar und dessen Kinder Ludwig-Charles (Dauphin) und Marie-Thérèse, sowie Madame Élisabeth (die Schwester des Königs) wurden festgenommen und im Haus des Richters Sausse festgesetzt. Unter Bewachung wurde die königliche Familie, von einer zunehmend feindseligen Menschenmenge begleitet, nach Paris zurückgebracht.
Das Vertrauen des Volkes in den König war endgültig zerstört. Er hatte geschworen, die Verfassung zu akzeptieren und versuchte gleichzeitig zu fliehen.

Die „Flucht nach Varennes“ gilt als ein Symbol für das Scheitern der Monarchie in Frankreich.

Bouillé versuchte, nach der Verhaftung des Königs schnell zu reagieren, doch die Zeit war gegen ihn. Er floh selbst ins Ausland, um einer Verhaftung zu entgehen.

Wie La Fayette und Bouillé an der Flucht des Königs scheiterten

Als König Ludwig XVI. im Juni 1791 heimlich aus Paris floh, um sich mit royalistischen Truppen im Osten Frankreichs zu vereinen, war nicht nur General Bouillé in den riskanten Plan verwickelt. Auch ein anderer Name taucht in den Chroniken jener Nacht auf: La Fayette, Kommandant der Pariser Nationalgarde und offiziell verantwortlich für die Sicherheit der königlichen Familie. Er ließ seine Truppen erstmals die Trikolore-Kokarde tragen – ein revolutionäres Symbol, das später zur französischen Nationalflagge wurde.
Ironischerweise spielte er keine aktive Rolle bei der Flucht, sondern wurde ihr stiller Komplize durch ein Versäumnis. Während Bouillé militärisch akribisch an der Route feilte, ließ La Fayette zu, dass das Königspaar unbemerkt aus dem Tuilerienpalast entkam – oder wurde geschickt getäuscht. Denn schon damals begannen Zweifel an seinem Patriotismus laut zu werden, besonders von radikaler Seite. Marat etwa sprach nur noch vom „schändlichen Motier“, und auch La Fayettes Verhalten an der Spitze der Nationalgarde wurde im Zusammenhang mit der Flucht des Königs am 21. Juni 1791 scharf kritisiert.

Für beide Männer, die so unterschiedliche Wege im Strudel der Revolution nahmen, wurde Varennes zum Wendepunkt. Für La Fayette war dies der Beginn seines politischen Abstiegs. Er floh ins Exil, wurde jedoch in Österreich verhaftet und verbrachte dort fünf Jahre in Gefangenschaft.


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Quelle Wikipedia


Exil, Reflexion und das Ende eines Zeitalters

Die Revolutionäre sahen in Bouillé einen Verräter, die Royalisten einen Helden. Im Exil, zuerst in Preußen, später in England, schrieb er seine Memoiren, in denen er seine Handlungen rechtfertigte und seine Sicht auf das revolutionäre Frankreich darlegte. Sie wurden später in mehreren Sprachen veröffentlicht. Anders als viele seiner Zeitgenossen beteiligte er sich nicht aktiv an militärischen Gegenbewegungen, sondern zog sich aus dem politischen Geschehen zurück.

Bouillé starb im Jahr 1800 in London, fern von Frankreich, fern vom Château de Cluzel, das er nie wieder sah.

Er bleibt eine komplexe Figur zwischen Loyalität, Ehre und strategischer Fehleinschätzung. Doch sein Mut, seine Überzeugungen und sein Einsatz für eine Sache, die unterging, machen ihn zu einem faszinierenden Charakter der Revolutionszeit.


Ein vergessener Ort, der Geschichte atmet

Heute erinnert nur wenig daran, dass in Mazeyrat-d’Allier ein Mann geboren wurde, der die französische Geschichte hätte entscheidend beeinflussen können. Das Château de Cluzel, still und abgelegen, ist ein Stück gelebte Vergangenheit und ein Ort für alle, die sich für die leisen, fast vergessenen Geschichten hinter den großen historischen Ereignissen interessieren.

Das Schloss selbst stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert. Die frühbarocke Residenz erhebt sich inmitten der ländlichen Landschaft der Haute-Loire. Vermutlich wurde das Gebäude auf den Fundamenten eines älteren Baus errichtet und später umfassend umgestaltet.
Das Schloss ist als großes, rechteckiges Ensemble mit zwei runden Ecktürmen konzipiert. Die Südfassade wird von zwei rechteckigen Pavillons eingerahmt, die ein zentrales, leicht überhöhtes Hauptgebäude umgeben. Besonders bemerkenswert ist die Innengestaltung des Schlosses, die bis heute zwei herausragende Beispiele frühbarocker Raumausstattung bewahrt. In einem Salon finden sich filigran geschnitzte Holzvertäfelungen mit kleinformatigen, bemalten Paneelen – ein typisches Element des Louis-XIII-Stils. Ein weiterer Raum ist mit großflächigen Wandvertäfelungen geschmückt, deren kräftige Schnitzereien Blätter- und Fruchtmotive zeigen. Auch Türstürze und Kamin sind aufwendig bemalt und erinnern an die burgundische Dekorationskunst des 16. Jahrhunderts.

Seit dem 28. Dezember 1964 stehen das Schloss und seine prächtig ausgestatteten Salons unter Denkmalschutz. Heute ist das Anwesen in Privatbesitz.
Es erinnert daran, dass große Entscheidungen oft an unscheinbaren Orten geboren werden, und dass die Landschaft der Auvergne weit mehr zu erzählen hat, als ihre Vulkane und Thermalquellen vermuten lassen.

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(Quelle: Cartorum.fr)

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