Gisors - Mittelalterlicher Charme und Templerschatz

Die in der Normandie gelegene Stadt Gisors ist ein Ort voller Geschichte und Charme, die im Laufe der Jahrhunderte ihr architektonisches und kulturelles Erbe bewahren konnte. Sie liegt nur anderthalb Stunden von Paris entfernt, ist eine der schönsten Städte im Departement Eure und die historische Hauptstadt des Vexin.

Im Mittelalter war sie für ihre symbolträchtige Festung bekannt und spielte eine wichtige Verteidigungsrolle zwischen dem Herzogtum Normandie und dem Königreich Frankreich. Die Geschichte der Burg ist auch eng mit der Legende der Templer und ihrem Schatz verknüpft.
Heute sind die Überreste der Festung eine der wichtigsten Touristenattraktionen der Stadt und wurden schon 1862 zum historischen Denkmal erklärt. Sie bieten einen atemberaubenden Blick auf die Stadt und ihre Umgebung. Im Rahmen von Führungen können Besucher auch die vielen geheimnisvollen unterirdischen Gänge, das bemerkenswerte Verlies und die mysteriösen Gravuren im Inneren des Gefangenenturms entdecken und so einen Einblick in die faszinierende Geschichte dieses symbolträchtigen Ortes bekommen.

Heute ist die Stadt aufgrund ihres malerischen Stadtzentrums, mit alten Fachwerkhäusern gesäumten Straßen entlang der Epte-Kanäle und ihrer zahlreichen Sehenswürdigkeiten ein unverzichtbares Reiseziel für Geschichtsliebhaber.

Alle zwei Jahre am 3. Maiwochenende feiern die Bewohner ihr 
außergewöhnliches Erbe im Rahmen des mittelalterlichen Festivals „Gisors, La Légendaire“. Die nächste Veranstaltung findet in 2026 statt.


Geschichte der Stadt

Gisors hat eine reiche und bewegte Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die erste Erwähnung der Stadt (Gisortis) stammt aus dem Jahr 968, als sie in offiziellen Dokumenten als wichtige Festung erwähnt wird. Zu diesem Zeitpunkt begann sich die Stadt um eine heute verschwundene Kirche herum zu entwickeln. Sie lagt damals an der Grenze des Herzogtums Normandie und dem französischen Königreich. Die Normandie war eines der Besitztümer der englischen Könige.

Ende des 11. Jahrhunderts entstand hier ein erster achteckiger Donjon (Wohn- und Wehrturm) auf einem künstlich angelegten Hügel. Dieser wurde auf Wunsch des Herzogs der Normandie und König von England Wilhelm II., zweiter Sohn von Wilhelm dem Eroberer, erbaut. Baumeister war Robert II. de Bellême, ein bekannter Tempelritter.
Der Turm befand sich im Epte-Tal, der natürlichen Grenze zwischen den beiden Königreichen. Die Burg wurde von 1106 bis 1113 errichtet und entwickelte sich zu einem der mächtigsten Orte der Normandie. Noch im März des selben Jahres wurde der erste Friedensvertrag von Gisors zwischen dem englischen König Heinrich I., Herzog der Normandie, und dem französischen König Ludwig VI. geschlossen.

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Unter der Herrschaft Heinrichs II. entstand eine weitläufige Anlage von mehr als 800 Metern Länge, die von acht Türmen geschützt wurde. Nach und nach wurde die Stadt einer Stadtmauer umgeben. Der Fluss dient als natürlicher Wassergraben.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Ort mehrmals zum Treffpunkt der englischen und französischen Könige zur Unterzeichnung von Friedensverträgen, so in 1158, 1180 und 1188.
Am 13. Januar 1188 trafen sich König Philippe Auguste von Frankreich, König Heinrich II. von England und Philippe d'Alsace, Graf von Flandern, in Gisors, um den dritten Kreuzzug zu beginnen, doch die beiden Könige zogen gegeneinander in den Krieg, der ein Jahr lang dauern sollte. Heinrich II. starb am 6. Juli 1189 und sein Sohn Richard Löwenherz folgte dem Versprechen des Kreuzzugs. Am 04. Juli 1190 verließen die beiden Könige Vézelay im Burgund.
Ein Jahr später ging die Stadt Gisors durch den "Traité de Gaillon", auch als Vertrag von Issoudun (Gemeinde in der ehemaligen Provinz von Berry, in der Region Centre-Val de Loire) bekannt, an König Philippe Auguste.

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts nahm der französische König zahlreiche und tiefgreifende Veränderungen vor.  Er ließ Schießscharten mit Blick auf die Stadt errichten, sowie einen imposanten runden Hauptturm mit drei Ebenen, ganz nach dem Vorbild des Bergfrieds des Louvre. Er ordnete auch den Bau eines Gerichts, eines Krankenhauses, eines Waschhauses und einer Kirche an. Gisors entwickelte sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts zu einem Wirtschafts-und Handelszentrum mit Gerbereien und Webereien.

Während des Hundertjährigen Krieges wurden die Burg und die Stadt nach einer dreiwöchigen Belagerung am 11. September 1419 
unter der Führung von John Cornwall von den Engländern eingenommen. Die gesamte Normandie wurde von den Engländern unter der Herrschaft von Heinrich V. erobert und blieb bis 1449 in englischer Hand. Mitte des 15. Jahrhunderts fand der Bau der zweiten Stadtmauer statt, da sich die Stadt weiter nach Osten erstreckte, jenseits des Flusses, der einst eine Grenze bildete. Einige Überreste dieser zweiten Anlage sind noch in der Rue du Filoir sichtbar.

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Mit dem Ende der Religionskriege im Jahr 1599 wurde die Burg als französischer Militärstandort aufgegeben, da sie von keinem strategischen Interesse mehr war. Es war Sully, der 1605 beschloss die Burg wie viele andere Militärstandorte abzureißen. Der Philippe-Auguste-Turm wurde in einen Kerker umgewandelt. Dort hinterließen Häftlinge im 16.-18. Jahrhundert Graffitis und Flachreliefs.  Im Jahr 1718 tauschte Ludwig XIV. mit Louis-Charles-Auguste Fouquet, Enkel des Finanzministers des Königs, die Stadt gegen die Comté Belle-Ile. 1742 wurde Gisors auf dessen Wunsch ein Herzogtum und nach Fouquets Tod 1761 ging die Stadt wieder ans französische Königsreich.
Während der Französischen Revolution wurde das Schloss kommunales Eigentum.

Im 19. Jahrhundert wurde Gisors durch den Bau der Eisenbahnlinie Paris-Dieppe zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt und es entstanden Fabriken.

Die Stadt diente im Jahr 1887 als Schauplatz einer Kurzgeschichte von Guy de Maupassant "Le Rosier de Madame Husson".

Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg durch mehrer Angriffe der deutschen Luftwaffe beschädigt. Am 30. August 1944 wurde die Stadt von den Briten befreit.

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Sehenswürdigkeiten und Stadtspaziergang

Die auf einem künstlich angelegten Erdhügel liegende Burg von Gisors ist, wie schon erwähnt, ein Bau aus dem 11. Jahrhundert  und wurde auf Wunsch von Wilhelm II. von England beschlossen. Im 12. Jahrhundert wurde die Burg drei Jahre lang (1158-1160) den Templern anvertraut. während dieser Zeit wurde die Ehe zwischen der Tochter Ludwigs VII. und dem Sohn Heinrichs II. Plantagenêt ausgehandelt.
Nachdem sie mehrere Jahrhunderte lang Schauspiel der Auseinandersetzungen zwischen Engländern und Franzosen war, diente sie eine Weile als Gefängnis für einige bekannte Häftlinge, darunter Jacques de Molay, der letzte Großmeister des Templerordens. Er war hier von 1310-1314 inhaftiert, bevor er in Paris auf der Ile des Juifs, später Ile des Templiers genannt und heute im Square du Vert Galant an der Pont Neuf gelegen, im März 1314 zusammen mit Geoffroy de Charnay, Ritter des Ordens, auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.

Einer Legende nach soll der Schatz der Templer noch immer in den unterirdischen Gängen der Burg versteckt liegen und zieht regelmäßig Schatzsucher an.
Am Vortag der Verhaftung aller Tempelritter, am Freitag den 13. Oktober 1307, schafften es einige von ihnen mit drei mit Gold gefüllten Karren Richtung England zu entfliehen. Gisors befand sich auf ihrem Weg und da sie die Burg gut kannten, suchten sie dort ein Versteck für ihren Schatz.

In den 1940er Jahren unternahm der Wächter und Gärtner der Burg, Roger Lhomory, persönliche Ausgrabungen und behauptete den Schatz in den unterirdischen Gängen gefunden zu haben. Er beschrieb seine Entdeckung ziemlich präzise: es gäbe mehrere unterirdische Räume sowie eine romanische Kapelle, die der Heiligen Katharina von Alexandrien geweiht sei. Diese sei 30m lang, 9m breit und etwa 4,50m hoch. Darin befänden sich  9 Steinsarkophage von 2m Länge und 60cm Breite. Außerdem gäbe es 30 Truhen aus Edelmetall, die in 10er-Reihen im Kirchenschiff sortieren seien.
Doch seine Grabungen führten zur  Destabilisierung des Hügels und zu Rissen im Bergfried. Wegen drohender Einsturzgefahr ordneten die Behörden die Zuschüttung der Gänge an, ohne Lhomorys Aussagen zu überprüfen.

1964 ordnete der damalige Kulturminister André Malraux neue Ausgrabungen an, doch sie führten zu keinem Ergebnis. Schlimmer: die Fundamente der Burg wurden weiter beschädigt. Alles was man herausfand war, dass ein unterirdischer Tunnel die Burg in Gisors mit dem Turm der Weißen Königin in Neaufles-Saint-Martin, 3 km von hier entfernt, verbindet.

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Ein weiterer bekannter Häftling war Nicolas Poulain. An den Wänden seiner Zelle hinterließ er einige sehr schöne Graffiti, darunter Szenen der Auferstehung, Adam und Eva, der heilige Nikolaus, den Bal des Ardents („Ball der Brennenden“) und sogar das Kreuzmuster der Templer. Es ist auch die Inschrift O Mater Dei, memento mei, Poulain („O Mutter Gottes, gedenke meiner, Poulain“) zu lesen.
Angeblich war Nicolas ein unehelicher Sohn von Karl I. von Bourbon, dem Erzbischof von Rouen. Er wollte Nicolas Poulain nach den Ermordung Heinrichs III.  zum König von Frankreich krönen, anstelle des künftigen Heinrich IV.

Der 3 Hektar große Park der Burg ist das ganze Jahr über kostenlos zugänglich. Vom dort aus hat man einen herrlichen Blick auf die Burg, die die Stadt überragt. Der Blick auf die prächtige, kathedralen-artige Kirche und die mittelalterlichen Häuser ist sehr beeindruckend. Bänke unter den hundertjährigen Bäumen laden zum Picknick ein.

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Die Pfarrkirche Saint-Gervais Saint-Protais gehört zu den schönsten religiösen Bauten in der Normandie. Da sie im Laufe der Jahrhunderte mehrmals umgebaut wurde, vereint sie heute Gotik und Renaissance. Erbaut wurde sie gegen Ende des 12. Jahrhunderts auf den Fundamenten einer ehemaligen Kirche, die bei einem Brand im Jahr 1124 zerstört wurde. Es soll die Königin Blanche von Kastilien gewesen sein, die den Bau des gotischen Chors finanziert haben soll. Sie wurde 1249 eingeweiht. Ab Ende des 15. Jahrhunderts wurden der Kirche die Nebenkapellen hinzugefügt. Die Renaissance-Fassade der Kirche stammt aus dem 16. Jahrhundert. Der Kirchturm ("La grosse tour") wurde nie fertiggestellt. Dorische und ionische Etagen wechseln sich hier ab.

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Die Größe der Kirche ist beeindruckend und vergleichbar mit der Kathedrale von Senlis. Das Kirchenschiff misst 70m und das Gewölbe hat eine Höhe von 24m. Die Apsis (mit einer Halbkuppel überwölbter Raum) besteht aus drei Ebenen (Arkaden, Triforium und Fenstern) und ist nach dem Vorbild der Kathedrale von Chartres erbaut worden.
Besonders beeindruckend ist auch die Renaissance-Treppe im Inneren der Kirche, sowie die farbenfrohen Buntglasfenster und fein gearbeiteten Skulpturen.

Viollet le Duc bezeichnete die Kirche im 19. Jahrhundert als eine der repräsentativsten der französischen Gotik. Es ist nicht verwunderlich, dass die Kirche Ende des 19. Jahrhunderts auf Postkarten als Kathedrale bezeichnet wurde.

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Im Jahr 1210 gründete Jean de Gisors das Leprosorium ein wenig außerhalb der Stadt, was die Bewohner vor Ansteckungen schützen sollte. Es besteht aus zwei rechteckigen Teilen, einem aus Kalkstein und einem aus Fachwerk und ist auch unter dem Namen Chapelle Saint-Luc bekannt. Diese romanische Kapelle wurde im Laufe des Mittelalters umgebaut und im 18. Jahrhundert in ein Armenhaus umfunktioniert. Während der Französischen Revolution wurde sie in eine Scheune umgewandelt, bevor sie in Privatbesitz überging. 1967 erwarb die Stadt das Gebäude für einen symbolischen Franken. Seit 1992 zählt es zu den historischen Denkmälern. Die Gemälde im Inneren stammen vom  berühmten montenegrinischen Maler Dado (Miodrag Djuric). Sie zeigen "Das jüngste Gericht".


Die Innenstadt mit ihren engen Gassen und Fachwerkhäusern ist eine echte Reise in die Vergangenheit. Es gibt viele Läden, die Kunsthandwerk anbieten, aber auch malerische Cafés und traditionelle Restaurants, in denen normannische Spezialitäten serviert werden. Die Epte, ein kleiner Fluss, der in die Seine mündet, durchquert die Stadt. In der Rue des Argillières befindet sich ein Waschhaus aus dem 15. Jahrhundert.

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Neben der Epte gibt es noch drei weitere Wasserläufe in Gisors. Die Troesne mündet hier in die Epte, der Bach Picard ist in der Rue de l’Hospice sichtbar und mündet in der Rue des Libertés in die Epte und schließlich der Nebenfluss Réveillon.


Nützliche Informationen

Adresse:
Burg von Gisors
Place Blanmont, 27140 Gisors

Anreise:
Abfahrt Gare Saint-Lazare, Linie J Richtung Gisors, Station Gisors.

Tarife:
Normaltarif 9€, ermäßigt 4€, gratis bis einschließlich 18 Jahre

Touristeninfo:
1 passage du Monarque
Rue de Vienne, 27140 Gisors

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