Die Burgruine in Coucy le Château Auffrique – Aufstieg, Glanz und Zerstörung einer der gewaltigsten Burgen Frankreichs

Die riesige Burgruine in Coucy le Château Auffrique, nördlich von Soissons im Departement Aisne und auf einem Felsvorsprung gelegen, erzählt eine Geschichte von Macht, Stolz und tragischer Zerstörung. Einst eine der größten und beeindruckendsten Festungen Europas, spielte sie über Jahrhunderte eine zentrale Rolle in der Geschichte Frankreichs. Sie ist das Erbe der Enguerrand-Dynastie, mit ihren mehr als 2.000 Meter Stadtmauern und 33 Türmen. Damit war die Burg in Coucy bei weitem größer als der Louvre. Große Teile der Festung wurden während des ersten Weltkriegs 1917 zerstört. Die Ruine wird heute vom Centre des Monuments Nationaux (Nationaldenkmäler) verwaltet.

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Die frühe Geschichte der Burg

Erste Aufzeichnungen einer Burg in Coucy stammen aus dem Jahr 920. Es war der Bischof von Reims, Hervé, der hier einen einfachen Erdhügel und eine kleine Motte (Holzturm) errichten ließ.
Im Jahr 1079 war es Aubry, Herr von Coucy, der diese Festung eroberte und die Familie zu "den Vätern von Coucy" machte.

Gegen 1220 errichtete Enguerrand III, bekannt als Krieger während den Feldzügen gegen die Katharer, den gewaltigen Komplex auf einem Felsvorsprung, der das Tal der Ailette um mehr als 60 Meter überragt. Der Höhenzug macht das Gelände schwer zugänglich und bot zugleich einen unglaublichen Blick über die Umgebung. Die Lage war ideal, um potenzielle Angreifer frühzeitig auszumachen.

Das wahre Meisterwerk des Bauwerks war der 54 Meter hohe und 31 Meter breite Bergfried, mit Mauern bis zu 7,5 Metern Dicke und damit gewaltiger als der Donjon des Pariser Louvre. Es war der höchste Europas und seine Ruinen sind noch heute sichtbar.
Drei Etagen, eine wehrhafte Terrasse, kaum Öffnungen und ein eigener Zugang mit Zugbrücke machten ihn zum Festungskern, der auf keinerlei Fundament ruht.
Unten lagerten Vorräte und Waffen, ein Brunnen versorgte die Bewohner mit Wasser, und durch eine Öffnung im Deckengewölbe konnten Lebensmittel und Munition bis auf die Terrasse transportiert werden. Die oberen Stockwerke boten Schutz für die Bevölkerung. Ganz oben führte ein Gang im Mauerwerk zu einer erhöhten Galerie.

Doch Enguerrand III. beließ es nicht beim Bau der Burg. Er stärkte die Verteidigungsanlagen von Coucy, indem er die Stadt vollständig mit einer massiven Ringmauer umgab, gegliedert durch 33 Türme und drei große Tore, darunter die Porte de Laon. Die Anlage wuchs zu einem dreistufigen Verteidigungssystem heran (Stadt, Vorburg, Oberburg) das die Angreifer möglichst lange aufhalten sollte.

« Je ne suis Sire, ne Roy, ne Duc ne Comte aussy. Je suis le Sire de Coucy. »

"Mein Herr, ich bin weder König, noch Herzog, noch Graf. Ich bin der Herr von Coucy."
— Enguerrand III de Coucy (1182-1242)
frei von mir übersetzt

Wie jeder große Herrscher seiner Zeit versuchte Enguerrand III., Cousin von König Philipp II. August, mit den Königen von Frankreich zu konkurrieren, indem er seine Abstammung hervorheben wollte. Dies brachte ihm später einige Probleme mit König Ludwig IX. und seiner Mutter Blanka von Kastilien ein.

Im Inneren der Burg befand sich eine herrschaftliche Kapelle, berühmt für ihre kunstvollen Glasfenster. Ein weiteres Glanzstück der Anlage war der große „Salle des Preux“, der unter Enguerrand VII. im 14. Jahrhundert mit bemerkenswerter Eleganz und prachtvollem gotischem Dekor ausgestattet wurde. Dieser Saal, 60 Meter lang und 15 Meter breit, wurde ursprünglich von Enguerrand III. mit einer Holzdecke ausgestattet. Er verdankt seinen Namen den neun Statuen berühmter Krieger, die den Raum zieren: David, Judas Makkabäus und der Prophet Josua des Judentums, Julius Cäsar, Alexander der Große, Hector (von Troja) der heidnischen Antike, sowie Karl der Große, König Arthur und Gottfried von Bouillon, Vertreter des Christentums.

Mit einer Fläche von 14 Hektar war Coucy gegen Ende des Mittelalters eine der bedeutendsten und mächtigsten Festungen.


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Der Untergang der Enguerrand-Dynastie

Enguerrand VII. (1340-1397), der letzte große Herrscher seiner Linie, starb 1397 ohne männliche Nachkommen im Heiligen Land. Dies war das Ende der Coucy-Dynastie, die vom 11. bis 14. Jahrhundert über die Festung herrschte. Seine älteste Tochter Marie erbte die Burg, verkaufte sie jedoch im Jahr 1400 an Ludwig von Orléans (1372-1407), den Herzog von Valois und Sohn von König Karl V. Dieser wollte die Verteidigung seiner Grafschaft Valois verbessern.

Ihm reichten die bestehenden Küchen nicht mehr für seine Ansprüche. Da in der Oberburg jedoch kaum Platz blieb, ließ er 1403 in der Vorburg, nahe der Zugbrücke, einen neuen Küchenkomplex errichten. So entstand eine 60 Meter lange Küche mit einem rechteckigen Kamin in der Mitte, der 30 m² misst, während die Decke von acht Säulen getragen wurde. Sie wurde 2018 bei Ausgrabungen freigelegt und ihre Mauern ragen noch heute über drei Meter in die Höhe.

1411 wurde die Burg von den Burgundern belagert.
Louis XII. (1462-1515), der Enkel des Herzogs und späterer König von Frankreich, brachte die Burg in den königlichen Besitz. Doch während der Aufstände und Bürgerkriege (Fronde) zwischen 1648-1653, weigerten sich die Bürger von Coucy, sich König Ludwig XIV. zu unterwerfen. Dieser ordnete den Abbau und die Zerstörung der Burg an, was unter der Aufsicht von Mazarin 1652 stattfand.

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Vom Steinbruch zur Restaurierung

Während der französischen Revolution wurde die verlassene und teilweise abgerissene Festung als Staatseigentum verkauft. Danach nutzte man sie als Steinbruch.

Ab dem Zweiten Kaiserreich bemühten sich mehrere Architekten um die Erhaltung der Ruinen. Unter ihnen befand sich Viollet-le-Duc, der hier parallel zum Pierrefonds-Restaurierungsprojekt arbeitete. Dieser sagte beim Anblick der Mauern und Türme:

« Auprès de ce géant, les plus grosses tours connues, soit en France, soit en Italie ou en Allemagne, ne sont que des fuseaux ! ».

"Im Vergleich zu diesem Riesen sind die größten bekannten Türme, egal ob in Frankreich, Italien oder Deutschland, nur Geländerstäbe".

frei von mir übersetzt

Er stabilisierte den Bergfried, legte zwei riesige Eisenringe um den Turm, verschloss den Innenraum mit einer Holz-Metall-Konstruktion und besserte Risse im Mauerwerk aus, die im September 1692 durch ein Erdbeben entstanden sind.

Dank der neu entstandenen Bahnlinien entwickelte sich das Château de Coucy bis 1914 zu einem der meistbesuchten historischen Orte Frankreichs.

Während des 1. Weltkriegs befand sich Coucy-le-Château direkt an der Front und war drei Jahre lang von der deutschen Armee besetzt. Im Dezember 1916 richtete die deutsche Armee ihre Verteidigung an der neuen Hindenburglinie aus, einem über 160 Kilometer langen System von Befestigungen von Lens bis Reims. Ab Februar 1917 zogen sich die Truppen im Département Aisne zurück. Die Stadt Coucy wurde geplündert und am 20. März 1917 erfolgte auf Befehl von General Ludendorff die Sprengung der Burg. 28 Tonnen Sprengstoff zerstörten den Donjon und jeweils 10 Tonnen die vier Ecktürme.

1919 verteidigte Paul Clemen die Sprengung als militärisch notwendig, da die Burg als Beobachtungsposten zu vorteilhaft für den Feind war. Er wies darauf hin, dass sogar der Kaiser persönlich angereist war, um die Entscheidung zu überprüfen.

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Archäologische Entdeckungen und der heutige Zustand

Auch heute noch finden archäologische Grabungen innerhalb der Burgmauern statt. Eine weitere Ausgrabungsstätte auf der gegenüberliegenden Seite des Vorhofs ermöglichte 2022 die Entdeckung eines rechteckigen Gebäudes. Die freigelegten Mauern deuten auf ein zweigeschossiges Bauwerk mit einem vermutlich kunstvoll ausgestatteten Obergeschoss und einem zentralen Pfeiler hin, das wohl einst als Zufluchtsort für die Abtei von Prémontré diente.

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Von der Terrasse der ehemaligen Burganlage hat man einen herrlichen Blick auf die Umgebung und ein Spaziergang entlang der äußeren Festungsmauern lässt die die imposante Architektur des Mauerwerks erahnen.

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Von der Burg aus kann man eine Spaziergang in Coucy le Château Auffrique bis zum Canon de Coucy machen. Dies war eine Kanone, die die Deutschen während des 1. Weltkriegs in einer kleinen Waldanlage unbeobachtet aufgebaut haben. 750kg schwere Granaten konnten damit bis zu 40km weit geschossen werden. So wurde zum Beispiel  am 14 Juni 1915 eine Granate auf Compiègne losgelassen, die das Stadtzentrum und den Palast traf. Erst 4 Tage später entdeckte ein französischer Pilot die Kanone von Coucy.
Heute ist nur noch das Betonfundament der Anlage sichtbar.

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Plan des Rundgangs (auf französisch) 3,7km


Nützliche Informationen

Adresse:
Domaine national du château de Coucy
Rue du château
02380 Coucy le Château Auffrique

Anreise:
Von Reims oder Compiègne die N31 in Richtung Soissons, dann D1 in Richtung Saint-Quentin und D5 nach Coucy le Château Auffrique.
Parkplätze findet man überall im Ort. Einen großen Parkplatz gibt es am Rathaus.

Tarife:
Gratis für EU-Bürger bis 25 Jahre und jeden ersten Sonntag des Monats (November bis März).
Normaltarif 7€.
Domaine national du château de Coucy, Cité internationale de la langue française & Château de Pierrefonds 20€

Internetseite:

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